Im Theater in Marl wurde am 19. November 2022 die interreligiöse und interkulturelle Komposition „Abunuya“ im Rahmen des Abrahamsfestes der CIJ-AG Marl/Kreis Recklinghausen uraufgeführt. Die begeistert aufgenommene Aufführung hat eindrücklich die Chance von Musikprojekten „zu Ohren gebracht“, Menschen über die Grenzen von kultureller und religiöser Verschiedenheit miteinander zu verbinden. Diese große Chance hatte auch die INTR°A-Jahrestagung 2022 am gleichen Tag zum Thema, die dies ebenfalls mit mehreren eindrücklichen Kostproben interreligiöser Musik verdeutlichte (s. dazu mehr auf dieser Homepage unter „Aktivitäten-Tagung“).
Wir dokumentieren im Folgenden die Presseerklärung zur Uraufführung von „Abunuya“:
ABUNUYA hat alle Erwartungen gesprengt. Danke fürs Kommen und Mitmachen!
Der emotionale Sog, in den die Uraufführung von ABUNUYA über 700 Menschen hinein zog, sprengte alle Erwartungen. Dieses Projekt hat gezeigt: Wagnisse und Grenzüberschreitungen tun immer gut.
Wir bekamen etliche Zuschriften, das Menschen zu Tränen gerührt waren und auch uns selbst machen viele Erinnerungen in der Rückschau sprachlos. Vor allem die Momente tiefer kollektiver Empfindung, etwa als so ziemlich das gesamte Theaterpublikum spontan von selbst Aeham Ahmads Gesangsmelodie übernahm. Und immer wieder dieses ständige Geben und Nehmen zwischen Orchester und Solist, zum Beispiel, wenn zarte Klangteppiche den ergreifenden Improvisationen Raum gaben. Das TM bebte, als es Solist und Orchester in vielen, rhythmisch treibenden Power-Stücken immer wieder krachen ließen. Kann es mehr Symbiose wie zwischen Aeham Ahmad und der Jungen Vielharmonie der Musikschule der Stadt Marl geben? Ja, kann es! Und zwar mit diesem aufnahmebereiten Publikum im TM, das sich so sehr öffnete und mitreißen ließ. Allein diese diverse lebendige Mischung aus Menschen aus zu einem künstlerisch hochwertigen Konzert ins Theater (oder in den letzten Jahren in die Scharoun-Aula) zu bekommen, muss dem alljährlichen Abrahamsfest der CIJAG (Christlich-Islamisch-Jüdische Arbeitsgemeinschaft Marl/Kreis Recklinghausen) hoch angerechnet werden.
André Buttlers Komposition gibt der sozialen Erfahrung Nahrung André Buttler hat in der Komposition ABUNUYA treffsichere emotionale Anknüpfungspunkte gesetzt, die auf die anwesende, am Ende minutenlang stehend applaudierende Menschenschar aus verschiedenen Religionen, Kulturen und Altersgruppen zuverlässig wirkte. Abunuya „sagt“ durch seine Anspielungen außerordentlich viel: Beethovens „Ode an die Freude“ erhält durch seine Choral-artige Umdeutung eine nachdenklichere Diktion. „Die Gedanken sind frei“ ist eines der wichtigsten Lieder aus dem deutschen Kulturraum. Sein Postulat ist aktueller denn je! Hier darf es sich als kolossaler sinfonischer Satz behaupten. „Steigerlied goes Bolero“, ja, auch eine solche Einlage gibt es. Ob André Buttler damit auf den industriellen Strukturwandel im Ruhrgebiet anspielt? Für den 1993 in Gelsenkirchen geborenen Filmmusik-Komponisten ist diese Uraufführung durch die Junge Vielharmonie ein würdevoller Abschluss seiner Zeit als Leiter dieses Orchesters. Die Arbeit an ABUNUYA will er nach eigenem Bekunden fortsetzen.
Der Adrenalin-Kick ließ alle Schwierigkeiten vergessen
75 hochkonzentrierte Minuten ohne Pause, aber dafür mit umso mehr Temperament. Voller Metren- ,Harmonie- und Stimmungswechsel, abwechselnd in westlicher und nahöstlicher Harmonik, oft collagenhaft dicht voll lyrischer, dann wieder extrovertierter Parts im fliegenden Wechsel. Für die jungen Musikerinnen und Musiker in der Jungen Vielharmonie müssen die Herausforderungen extrem gewesen sein. Entsprechend viel Anspannung lag noch bei der Generalprobe in der Luft. Bei der Premiere geschah dann das Wunder – alle wuchsen über sich hinaus: „Die Aufregung vor einem solchen besonderen Ereignis produziert einen starken, produktiven Adrenalin-Kick“ beschrieb Evelyn Fürst-Heck, die seit einem halben Jahr zusammen mit André Buttler die Proben leitete, die Kunst des Loslassens. Soviel zum befruchtenden „Education-Effekt“ einer so aufwändigen Kooperation incl. Kompositionsauftrag und mit einem internationalen Profimusiker in der Mitte. Übrigens: Orchester-Musizieren inklusive regelmäßiger Konzertauftritte gehört zur Marler Musikschulausbildung von Anfang an dazu.
Danke!
Man bekam oft die Frage gestellt, warum diese Aufführung bis auf weiteres nur einmal stattfinden konnte. Hinter einem Konzertereignis dieser Größenordnung steht ein immenser zeitlicher, technischer, logistischer und finanzieller Aufwand. Vor allem der Stadt Marl ist für engagierte Förderung und Unterstützung zu danken, allen voran Kulturdezernentin Claudia Schwidrik-Grebe, Kulturamtsleiter Andreas Steinberg und Marls Integrationsbeauftragtem Deniz Tekmen. Und ohne die Kluth- und Engel- Stiftungen wäre es in der regionalen Kultur im Kreis Recklinghausen wohl auch viel stiller. Danke ebenso an das interreligiöse Projekt „Weißt Du, wer ich bin“, welches noch kurzfristig mit einer Förderung „einstieg“.
Durch Abunuya sind sich kreative Menschen aus verschiedenen Berufen und Talenten begegnet und kennen sich jetzt. Melanie Drüke hat durch ihre kreative Lichtregie der Musik erst das richtige „traumhafte Ambiente“ gegeben. Damit alle Prozesse während der Aufführung reibungslos ineinander griffen, war auf die erfahrene Bühnenmeisterin unseres Theaters Ute Kidess in jedem Moment Verlass. Illustratorin Johanna Ries kreierte wunderbares „Corporate Design“, welches den Programmheften, Flyern, Plakaten den finalen Look gab. Bernd Zimmermann hat diese Ideen in ein perfektes Website-Design übertragen. Die Dokumentarfilmerin und (Grimme-Preisträgerin) Marion Kainz und der Imagevideo-Produzent Christian Christe trafen erst beim Konzert aufeinander, bildeten aber sofort ein perfektes Profiteam, um mit mehreren Kameras einen Konzertfilm zu drehen, den wir zeitnah auf allen Kanälen publik machen. Ganz großer Dank gilt den zahlreichen Freiwilligen in der CIJAG, die vieles zum ersten Mal gemacht und einiges gelernt haben dabei: Sei es, den Einlass in unser Theater zu managen und Gäste zu begrüßen oder als Team mit den Hauptamtlichen am Eingang und an der Garderobe/ den Saaltüren zusammenzuarbeiten und den schönen Aftershow-Empfang vorzubereiten.
Konzerte, die künstlerische Perfektion demonstrieren, sind eine schöne Sache. Noch viel wertvoller ist es, wenn eine gemeinsame positive Schwingung aus der Musik hervorgeht. Wie stark diese hier geworden ist, haben wir uns nicht träumen lassen.
Weitere Informationen s. Abunuya.de