Das Fasten im Ramadan

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Muslime befinden sich wieder im Fastenmonat Ramadan. Die Verpflichtung zu fasten gilt im Islam für alle Muslime, die im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind und das Alter der Pubertät hinter sich gelassen haben. Ausgenommen sind Frauen, die z.B. während der Menstruation auch vom Gebet befreit sind, Kranke oder Reisende. Allerdings müssen diese die verpassten Fastentage später nachholen. Gänzlich vom Fasten befreit sind Kinder und Schwache.

Ramadan ist ein arabisches Wort und wird aus der Wurzel ramida (vor Schmerz und Kummer entbrennen) abgeleitet. Verwandte Begriffe sind ramad, Verbranntsein (besonders des Bodens bei Hitze), und ramdâ, stark erhitzter Boden. Diese Wortbedeutungen verweisen auf das Hitzegefühl im Magen, das vom Durst erzeugt wird. Eine andere Interpretation lautet, dass der Ramadan die Sünden ausbrennt wie die Hitze den Boden. Im Ramadan sind Herz und Seele für die Anbetung und das Gedenken Gottes empfänglicher – nämlich genauso empfänglich, wie Sand und Steine es für die Hitze der Sonne sind. So hilft der Ramadan dem Gläubigen, sich neu zu orientieren, seine physischen und geistigen Veranlagungen zu vervollkommnen und sein Verhalten zu korrigieren.

Der Ramadan ist der Monat des Korans. In diesem Monat widmen sich die Muslime besonders intensiv dem Studium und der Rezitation des Korans. Diese Praxis geht auf den Propheten Muhammad zurück. Außerdem besuchen sie häufiger die Moschee als in anderen Monaten. Aber das ist wegen der Corona-Pandemie nicht der Fall. Der Ramadan schult die Selbstdisziplin der Muslime und erlaubt ihnen, Gott für Seine Gaben Dank zu sagen. Üblich ist auch, dass die Muslime in diesem Monat viel spenden und ihre Sozialabgabe (Zâkat) berechnen und bezahlen.

Der Monat Ramadan, der 9. Monat des islamischen Kalenders, hat entweder 29 oder 30 Tage und wird mit Hilfe des islamischen Mondkalenders bestimmt, dessen Jahre um 10-11 Tage kürzer sind als die des Sonnenkalenders. Infolgedessen verschiebt sich der Monat Ramadan von Jahr zu Jahr und fällt im Laufe der Jahre in jede Jahreszeit: in den Herbst, den Winter, den Frühling und den Sommer. So lernt der Muslim, Einschränkungen, die sich durch das Fasten bei drückender Hitze oder bei strenger Kälte ergeben, zu ertragen.

Anfang und Ende des Fastenmonats werden durch das Sichten des Neumondes festgestellt:

Beginnt nicht eher mit dem Fasten, bis ihr die Mondsichel gesichtet habt. Und brecht nicht eher das Fasten, bis ihr sie gesichtet habt. Sollte sie von Wolken bedeckt sein, dann vollendet (die Zahl der Tage). (Bukhari, Muslim, Tirmidhi)

Die ersten der Offenbarungen Gottes, die später dann als Koran zusammengetragen wurden, empfing der Prophet Muhammad im Monat Ramadan des Jahres 610. Im Jahr 624, als folgende beiden Koranverse offenbart wurden, wurde den Muslimen das Fasten während dieses Monats zur Pflicht gemacht:

O ihr, die ihr glaubt! Das Fasten ist euch vorgeschrieben, so wie es denen vorgeschrieben war, die vor euch waren. Vielleicht werdet ihr (Gott) fürchten. (2:183)

Der Monat Ramadan ist es, in dem der Koran als Rechtleitung für die Menschen herab gesandt worden ist und als klarer Beweis der Rechtleitung und der Unterscheidung. Wer also von euch in dem Monat zugegen ist, der soll in ihm fasten. (2:185)

In diesen Versen wird auch betont, dass das Fasten nicht allein Sache der Muslime ist. Auch Angehörige anderer monotheistischen Religionen werden hier daran erinnert, dass alle Gläubigen fasten sollten. So fasten Juden in der Fastenzeit von Sonnenaufgang bis zum Einbruch der Nacht (etwa eine Stunde nach Sonnenuntergang des folgenden Tages), indem sie weder feste noch flüssige Nahrung zu sich einnehmen. Im Christentum fastet man traditionell 40 Tage lang in der Zeit vor Ostern, indem sie auf bestimmte Genussartikel (Fleisch, Alkohol, Süßes etc.) verzichten.

Wer die Vorzüge des Fastens beschreiben möchte, kommt nicht mit wenigen Worten aus. Denn das Fasten verfügt über viele ganz unterschiedlich gelagerte Aspekte. Diese können sich z.B. auf den Dienst an Gott, auf die soziale, die körperliche, die zwischenmenschliche oder die gesellschaftliche Ebene beziehen. Insofern birgt das Fasten viele Geheimnisse in sich, wie der Fastende nach und nach erfahren kann und wird.

Das Fasten soll als geistige Übung im Sinne des Gedenkens Gottes durchgeführt werden. Wesentlich und in erster Linie ist es eine Anbetung und eine geistige Übung, die uns näher zu Gott hinführt. Jeder Muslim sollte sich deshalb bewusst machen, dass er mit seinem Fasten vor allem das Wohlgefallen Gottes finden möchte.

Daneben kann das Fasten aber natürlich auch “materielle” Vorteile mit sich bringen. So fördert es z.B. das körperliche Wohlbefinden und die Gesundheit. Wenn man ganz bewusst fastet, bekommt der Körper die Chance, sich einen Monat lang zu erholen und zu regenerieren. Der Kreislauf wird angeregt. Altes, in den Zellen gespeichertes Fett wird weggeschmolzen und neue Fette können aufgenommen werden. Wichtig ist, beim allabendlichen Fastenbrechen nicht unmäßig viel zu essen und sich vollzustopfen. Einige Muslime vergessen das leider oder halten sich zumindest nicht daran. Manche nehmen sogar im Monat Ramadan noch zu. Dies sollte man jedoch in jedem Fall vermeiden. Empfohlen wird folglich, keine schwere Kost zu sich zu nehmen. Auf die eigens für diesen Monat zubereiteten Köstlichkeiten braucht jedoch nicht verzichtet zu werden.

Das Fasten dient auch der Stärkung des sozialen Empfindens und reguliert das soziale Leben der Muslime: Gesellschaftliche Beziehungen werden mehr als sonst gepflegt, Versöhnung wird gefördert, und die soziale Gemeinschaft betont. Das Ramadanfest, das den Fastenmonat beschließt, unterstreicht diesen Aspekt.

Weiterhin dient das Fasten dem Zweck, dem Menschen die Barmherzigkeit Gottes über sein Bewusstsein vor Augen führen. Angesichts seiner eigenen Schwäche empfindet der Fastende Demut. Diese überträgt sich auch auf sein Verhalten im Umgang mit anderen Menschen.

Wie das Fasten auf den Einzelnen wirkt, ist ganz unterschiedlich. Viele Muslime finden durch das Fasten zu innerer Einkehr und Ruhe. Sie nehmen sich die Zeit zum Nachdenken, die ihnen vielleicht in gewöhnlichen Monaten nicht zur Verfügung steht. Oft haben Fastende auch das Gefühl, dass sich ihr Körper von den ständigen Belastungen des Alltags erholen kann. So mancher allerdings muss sich eher in Geduld üben, weil ihn das Fasten, emotional und körperlich stärker anstrengt. Jeder empfindet das Fasten also ein wenig anders. Was allen fastenden Muslimen gemeinsam sein sollte, ist jedoch die Tatsache, dass sie den Akt des Fastens als Anbetung an Gott bewerten. Sie alle hoffen darauf, dass sie dank ihres Fastens das Wohlgefallen Gottes erlangen und von ihrem Schöpfer im Jenseits dafür belohnt werden.

Anschließend dem Fastenmonat findet das Ramadanfest statt. Das nennt man auch Zuckerfest und dauert drei Tage. Hier feiern Muslime zum Ende des Ramadans den Segen Gottes und die erfolgreiche Teilnahme am Ramadan.

Muhammet Mertek