Die großen Religionsstifter. Buddha, Jesus und Muhammad – ein Vergleich

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Monika & Udo Tworuschka: Die großen Religionsstifter. Buddha, Jesus und Muhammad – ein Vergleich, Stuttgart: Metzler 2018, 230 S., 6 Abb.

Inhaltsverzeichnis und ausführliche Leseprobe: hier

— English summary at the end of the review

— Résumé français au bout du compte rendu

Das Ehepaar Tworuschka hat sich schon seit langem einen Namen in der internationalen Religionswissenschaft gemacht. Sie haben eine Fülle von Publikationen herausgebracht.
Aber die beiden haben bei allem fachwissenschaftlichen Engagement zugleich ein religionspädagogisches Interesse. Dies kommt in dem vorliegenden Buch besonders zum Ausdruck. Biografien und Lebensbeschreibungen über den Buddha, Jesus und Mohammed  gibt es  auf dem Markt in praktisch nicht zu übersehender Fülle. Das eine Mal tritt das Legendarische stärker hervor, das andere Mal die rekonstruierende Historie. So haben sich bis in die Gegenwart die verschiedensten Bilder über die drei Religionsstifter verbreitet.

Das Autorenpaar beschreibt darum unter Heranziehung der Originalquellen, worum es den drei herausragenden Persönlichkeiten der Geschichte wohl gegangen ist. Dazu muss auch die Geschichte der Vorurteile im Westen im Blick auf Mohammed und Buddha ein Stück weit aufgerollt werden (S. 9-21).

Unabdingbar ist, dass die Quellen im Sinne historisch-kritischer Aufarbeitung zur Sprache kommen (S. 23-59). Dabei darf die damalige Umwelt (S. 61-76) – kulturell, politisch und religiös – auf keinen Fall außer Acht gelassen werden. Soweit so gut und auch nicht so ungewöhnlich, aber was ist an diesem Buch nun anders?

Neu ist das Konzept der beiden Autoren, die drei  Religionsstifter thematisch aufeinander zu beziehen. Sie können sich dabei auf die Tradition der Religionsvergleichung in der Religionswissenschaft berufen. Einwände verschiedenster Art haben oft im Hintergrund das Vorurteil der Höherwertigkeit einer Religion gegenüber einer anderen – verbunden mit der Angst vor Relativierung des eigenen (christlichen) Glaubensverständnisses.

„Der religionsgeschichtliche Vergleich führt einerseits dazu, Gemeinsamkeiten zwischen Eigenem und Fremden herauszuarbeiten, andererseits Eigenes und Fremdes zu profilieren … Der Religionsvergleich trägt zur Relativierung bei; denn zahlreiche religionsgeschichtliche Erscheinungen verlieren dadurch ihre Singularität“ (S. 5).

Natürlich kann man Religionen nicht als Ganzes miteinander vergleichen, aber die Fokussierung auf bestimmte Aspekte im Leben und Wirken von Buddha, Jesus und Mohammed lohnt sich, denn dadurch werden Grundfragen menschlichen Daseins sichtbar. Ihnen kann letztlich niemand ausweichen: Die Zyklen des irdischen Lebens zwischen Geburt und Tod, aber eben auch das „Darüberhinaus“ – entweder im Kreislauf der Wiedergeburten bis zum Eingehen ins Nirvana oder aber die Zielbestimmung in der unendlich liebenden Gottesfülle. Die Gedanken einer über den Tod hinauswachsenden Hoffnung haben natürlich auch erhebliche Rückwirkungen auf das Verhalten im Hier und Jetzt.

  1. Der erste thematische Abschnitt beschreibt die herausragenden Besonderheiten und Varianten zur Empfängnis, der Bedeutung der Mutter und der Geburt der Religionsstifter (S. 77-90). „In den Stifterbiographien setzt an charakteristischen Wendepunkten die fromme Legende an, die für die Gläubigen oft hoch bedeutsam ist“ (mit den Details dazu S. 79f).
  2. Kindheit, Jugend und frühe Jahre der Religionsstifter (S.  91-99): Auch hier mischt sich sehr bald in der jeweiligen religiösen Tradition das Historische mit dem Legendarischen. Als Beispiel sei ein Motiv aus der Geburt Mohammeds genannt: „Als Muhammad geboren wird, verkünden die Engel diese Freudenbotschaft. Aus der Brust seiner Mutter Amina bint Wahb dringt ein wunderbares Licht bis zu den Schlössern Basras, und es bricht eine Heilszeit an“ (S. 90).
  3. Die Wende im Leben der Religionsstifter (S. 101-114): Interessant ist, dass die älteren Quellen aller drei Religionsstifter die wundersamen Begebenheiten bei der Geburt für nicht so bedeutsam halten. Ähnliches gilt auch noch für ihre Kindheits- und Jugendjahre. Biografische Zusammenhänge sind noch lückenhaft.
  4. Dann zeichnet sich einschnitthaft die Wende im Leben der Religionsstifter ab (S. 101-114): „Bei allen drei Stiftern tritt die Wende im mittleren Alter ein: Buddha war zwischen 29 und 35 Jahre, Jesus [etwa] 30 Jahre, Muhammad ungefähr 40 Jahre“(S. 102f). Berufungen bzw. das Erwachen/die Erleuchtung beim Buddha sind mit einem Auftrag an die Menschen verbunden, der jedoch dämonisch oder von der menschlichen Umgebung in Frage gestellt wird, ehe
  5. das öffentliche Auftreten in den Mittelpunkt rückt (S. 115-133).
    Dadurch sammeln sich auch um die Verkünder der neuen Botschaft Jünger und Jüngerinnen. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis spielt durchgehend eine wichtige Rolle, das durchaus mit Problemen und Anfeindungen aus der Umgebung behaftet sein kann. Hier zeigen sich erhebliche Differenzierungen: der Buddha als „Raddreher“, der eine weltliche Herrscher-Karriere ablehnt und Jesus, der das Himmelreich nicht als politische Befreiungsaktion erwartet. Dagegen tritt Mohammed, der Prophet, schließlich als Staatsmann auf. Dieser wird in spiritueller und politischer Hinsicht als Vorbild verehrt, was in der Geschichte des Islam eine kritische Betrachtung seiner auch problematischen gesellschaftlichen Entscheidungen oft schwierig macht. Im Blick auf die Nähe zum Christentum fällt jedoch die große Wertschätzung auf, die Abraham, Moses und verstärkt Jesus zuteil wird.
  6. Betrachtet man nun die Lehre der Religionsstifter (S. 135-157), so ist diese von vornherein universal im Sinne eines Heilsweges. „Buddha lehrt die Befreiung aus Dukkha [sc. aus dem Leiden] mit Hilfe der >vier edlen Wahrheiten< und des >edlen achtfachen Pfads>. Jesus verkündet die Teilhabe am Reich Gottes, und Muhammad wurde von Gott mit der Huda, der >Rechtleitung< geschickt“ (S. 135). Von daher zeigen die Autoren, wie die Haltung der Religionsstifter ethisch bis in die Gegenwart weiter wirkt. Dies betrifft die Einstellung zu politischen Strukturen und zum Staat, den Umgang mit wirtschaftlichen Fragen im Horizont von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sowie die Eingrenzung von Gewalt bis hin zum völligen Gewaltverzicht. Gerade hier sind die Konsequenzen aus den religiösen Ableitungen bis in die Gegenwart ausgesprochen heftig. Dies gilt übrigens für alle drei Religionen.
  7. Die Wunder (S. 169-177): Von allen drei Religionsstiftern werden Wunder erzählt, die in gewisser Weise ihre Autorität und ihre Authentizität (göttlich) legitimieren. Hier ist nicht selten eine gewisse Vorsicht gegenüber einer extremen Wundergläubigkeit zu spüren. Zugleich zeigt sich im Wunderverständnis insgesamt eine erstaunliche Verstehensbreite, z.T. symbolisch, kosmologisch, visionär oder psychologisch. Besonders deutlich ist dies bei der Nachtreise des Propheten Mohammed, (S. 185-187).
    Bei den Wundern – und das ist nicht unwichtig – müssen allerdings keineswegs immer außermenschliche Kräfte am Werke sein.
  8. Das Sterben und der Tod der Religionsstifter (S. 169-177) zeigen sich sehr unterschiedlich. Der historische Buddha stirbt im hohen Alter, wahrscheinlich an einer Lebensmittelvergiftung, Jesus wird mit etwa 30 Jahren hingerichtet, und Mohammed stirbt unerwartet mit etwa 60 Jahren – ohne seine Nachfolge geregelt zu haben.
  9. Noch auf eine letzte (bereits bei Mohammed erwähnte) Besonderheit der drei Religionsstifter richten die Autoren ihr Augenmerk im Abschnitt: Himmelsreise, Aufstieg in den Himmel, Himmelfahrt  (S. 199-177). Diese „Reisen“  gehören zur „dominanten mythischen Konstellation der späten klassischen Antike“ (S. 179, Zitat Alan F. Segal). Sie spielt für den Buddha keine Rolle, während sie bei Jesus und bei Mohammed erheblichen Raum einnimmt und einen esoteriologischen Zusammenhang anzeigt. Gnostiker Schamanen, Esoteriker aller Couleur betonten und betonen damit die vom Irdisch-Körperlichen befreiende Aufstiegsmöglichkeit zum Himmel.

Eine Art Bilanz bildet der Schlussabschnitt: Hier geht es um die Bilder, die sich die jeweils glaubende Gemeinde von ihrem Stifter macht (S. 189-202). Es sind tatsächlich mannigfache Vorstellungen, die mit ihren variierenden Aspekten in unterschiedlichen Zeitepochen verstärkt in den Blick kommen: Der Weg zur Buddhanatur bzw. zur Vervollkommnung, die Religionsstifter als Sozialreformer, Gesellschaftsverbesserer, Heilbringer, aber:
„Alle drei gerieten in Konflikt zu der religiösen Tradition, in der sie aufwuchsen, waren Zweifel und Versuchungen ausgesetzt“ (S. 203). So ist auch die Orientierung der Gläubigen nur bedingt eine konsequente Nachfolge. Und die Themenvielfalt der Überlieferungen (gerade auch beim Propheten Mohammed) ermöglicht viele Deutungen, die nicht selten  ein fundamentalistisches Achtergewicht gewinnen. Dies gilt natürlich auch für das Christentum. Allerdings ist selbst der Buddhismus nicht davor gefeit, wie die Auseinandersetzungen in Myanmar zeigen.

Zusammenfassung: In dieser angenehm zu lesenden Präsentation von Buddha, Jesus und Mohammed, lässt sich übersichtlich nachlesen, dass diese drei großen Persönlichkeiten („Religionsstifter“) durch ihren Glauben und durch ihr Leben die Welt wesentlich verändert haben. Die thematischen Gegenüberstellungen beziehen sich auf wichtige Lebensphasen. Dies findet man in der religionswissenschaftlichen Literatur bisher kaum. Insofern bietet dieses Buch gerade für ein grundlegendes Verstehen sachgemäße Zugangsweisen. Für das interreligiöse Lernen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen eröffnen sich hier ausgesprochen sinnvolle Möglichkeiten. Es sei noch formal angemerkt, dass durch das zweifarbige Layout der Texte die Zitate und ergänzenden Dokumenteleicht (wieder-)zu finden sind.

English Summary
In this pleasant-to-read presentation of Buddha, Jesus and Muhammad,we see, that these three great personalities („founders of a religion“) have changed essentially the world by their faith and their lives. The thematic comparisons refer to important phases of their life. This can be found up to now rarely in the specialist literature of Religious Studies. In this respect, this book provides competent access to just basic understanding. Here  very meaningful opportunities  have been opened for interreligious learning of children, adolescents and adults. It should be noted formally that the two-color layout of the texts makes it easy to (re-)find the quotations and supplementary documents.
Résumé français
Dans cette présentation de Bouddha, Jésus et Mahomet – agréablement à lire –  il est facile de comprendre que ces trois grandes personnalités („fondateurs d’une religion“) ont changé essentiellement le monde par leur foi et leur vie. Les comparaisons thématiques se réfèrent aux phases importantes de leur vie. Cela se ne trouve guère dans la littérature spécialisée de la science des religions. À cet égard, ce livre fournit un accès approprié pour une compréhension constitutive. Ici s’ouvrent des possibilités adequates pour l’étude interreligieux des enfants, des adolescents et des adultes.
On peut noter formellement que la maquette bicolore des textes facilite à (re-)trouver les citations et les textes complémentaires.

Reinhard Kirste, Dezember 2018