Interreligiöse Studienreise des Oikos-Institut und INTR°A nach Birmingham

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Sikh-Tempel in Birmingham

Kirche und Dialog zwischen religiöser Pluralisierung und Säkularisierung

Interreligiöse Studien- und Begegnungsreise nach Birmingham und Leicester

Eine interreligiös zusammengesetzte Gruppe machte sich im August auf den Weg in die englischen Midlands, um zu erfahren, wie die englischen Kirchen und Religionen auf die religiöse Situation in den großen Zentren Englands reagieren. Eingeladen hatten das oikos-Institut für Mission und Ökumene und die Interreligiöse Arbeitsstelle INTR°A.

Die Mitgliederzahlen der beiden großen Kirchen in Deutschland gehen seit Jahren in großem Maßstab zurück. Auch wenn manche derer, die den Kirchen den Rücken kehren, sich weiterhin als Christ*innen verstehen, ist doch in der Gesellschaft eine zunehmende Säkularisierung erkennbar. Zugleich wundert man sich über die Vielzahl von religiösen Gemeinschaften, die mittlerweile in den deutschen Städten anzutreffen sind. Nicht nur Islam und Judentum, sondern auch Buddhismus, Hinduismus, Bahá‘í und andere machen die religiöse Vielfalt unseres Landes aus. Auch innerchristlich wächst die Zahl der unterschiedlichen Gemeinden. Für die großen Kirchen, aber auch für die anderen religiösen Gemeinschaften stellt sich damit die Frage, wie der Herausforderung von religiöser Pluralisierung und zunehmender Säkularisierung begegnet werden sollte.

Einer ähnlichen Situation sehen sich die religiösen Gemeinschaften in den Ballungsgebieten Englands gegenüber. Birmingham, das Zentrum der West Midlands, ist mit mehr als einer Million Einwohner die zweitgrößte Stadt in Großbritannien und wie das Ruhrgebiet auf dem Weg, die Vergangenheit als Industrieregion hinter sich zu lassen. Zugleich gilt Birmingham als überdurchschnittlich religiöse Stadt: Mehr als 70% verstehen sich als Teil einer Glaubensgemeinschaft. Doch die Zahl der Mitglieder der Kirchen in den Midlands ist innerhalb von zehn Jahren unter 50% gesunken. In Birmingham halten sich mittlerweile Christ*innen und Muslim*innen zahlenmäßig die Waage. Dabei ist die Verteilung sehr unterschiedlich. Im Stadtteil Small Heath, einem klassischen Arbeiterstadtteil, sind etwa 90% muslimisch. Die kleine anglikanische Gemeinde versteht sich dennoch als einladende Gemeinde, die sich der sozialen Herausforderung der Armut stellt: Unter anderem organisiert sie ein regelmäßiges Mittagessen und eine Tafel für bedürftige Menschen. Auch die in der Nachbarschaft ansässige Green Lane Moschee verteilt Lebensmittel und hat ein beeindruckendes Beratungsangebot für die Menschen vor Ort aufgebaut. Irritierend war für die Teilnehmenden der Reise, dass die Angebote der Religionsgemeinschaften kaum aufeinander abgestimmt sind und dass die Green Lane Moschee eine gemäßigt salafistische (fundamentalistische) Einstellung vertritt. Für die meisten Teilnehmenden war hier die Grenze für eine Zusammenarbeit zwischen Religionsgemeinschaften überschritten.

Anders sieht es in Smethwick aus, einem anderen, ebenfalls eher armen Stadtteil. Anglikanische Kirchengemeinde, muslimisches Begegnungszentrum und die Gemeinde der Sikhs, einer aus Indien stammenden Religion, die Elemente des Hinduismus und des Islam miteinander verbindet, bieten zum einen jeweils eigene soziale Angebote an, treffen sich zum anderen regelmäßig, um sich über ihren Glauben auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen. Anregend für die Teilnehmenden war auch ein interreligiöses Angebot für junge Menschen in der Region Birmingham, das sich „The Feast“ – „Das Fest“ nennt: Jugendliche treffen sich regelmäßig, um miteinander Spaß zu haben und sich über ihren Glauben zu unterhalten. Ähnlich eng arbeiten die unterschiedlichsten Religionen im St. Philip’s Centre in Leicester zusammen, darunter auch Hindus, Jain (eine weitere Religion vom indischen Subkontinent) und Pagane („Heiden“), die in England als Religionsgemeinschaft anerkannt sind. Wichtig ist den Mitgliedern des St. Philip’s Centre vor allem, gegen eine weit verbreitete Unkenntnis von Religion in der Gesellschaft anzugehen und der immer wieder auftretenden Diskriminierung aus religiösen Gründen entgegenzutreten.

(Beitrag aus “Unsere Kirche”, Nr. 39, 24. September 2023)