Brücken bauen zwischen Kulturen und Religionen – Schulprojekt in Hamm

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Ich halte sehr große Stücke auf Schülerinitiativen. Denn Schüler sind die Gestalter der nahen Zukunft. Das Projekt, das ich in der Thomaskirche in Hamm erlebte, war eine dieser hoffnungsvollen Initiativen.

Bekanntermaßen feiern Schüler zum Schulabschluss am Ende der 10. Klasse oder nach dem Abitur. So auch der feierliche Abschied in der Kirche. In diesem Kontext hatten Schüler der Philosophie- und Religionskurse einer Schule ein beispielhaftes interreligiöses Projekt ins Leben gerufen, das sie “Brücken bauen” nannten.

Eine Vertreterin der Katholischen Kirche und meine Wenigkeit als Vertreter für Muslime waren anwesend und hielten eine kurze Rede. Abgesehen davon war das ganze Programm von Schülern geplant geworden. Begleitet wurde es von Stücken, die ein Schüler auf dem Klavier spielte. Am Ende errichteten die Schüler eine symbolträchtige Brücke aus farbigen Stöcken, die sie in eigener Initiative vorbereitet hatten.

Ein solcher Brückenbau von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen ist nur auf der Basis von universellen Werten möglich. Viele Schüler kamen auf die Bühne und ergriffen das Wort, um mit kurzen Statements bestimmte solche Werte zu erklären und hervorzuheben. Dazu zählten u.a. Liebe, Respekt, Toleranz, Verständnis und Ehrlichkeit. In ihren Erklärungen betonten sie mit dem Symbol des “Brückenbaus” immer wieder, wie sehr diese Werte das Leben bereichern.

Neben dem Ausspruch des Propheten Muhammad “Niemand von euch ist wirklich gläubig, bis er seinem Bruder wünscht, was er sich selbst wünscht“ (Bukhari) wurden auch ähnliche Aussprüche aus anderen Religionen wie Christentum, Judentum, Buddhismus und Hinduismus zitiert.

Meine Rede begann ich mit der Eröffnungssure des Korans und sagte, dass Religion, Kultur oder Sprache kein Grund für Trennung und Spaltung in der Gesellschaft sein sollten. Ich erinnerte an einen berühmten Ausspruch des türkischen Mystikers und Volksdichters Yunus Emre: “Wir lieben das Geschaffene um des Schöpfers willen.” Dabei erwähnte ich auch, dass die Schüler am Anfang eines neuen Lebensabschnitts stehen und daher wichtige Entscheidungen treffen müssen. Zwangsläufig werden sie sich mit Fragen wie “Was ist mir wichtig im Leben? Eine erfolgreiche Karriere? Ein guter Mensch zu sein? Ein glückliches Leben? Eine harmonische Familie?” auseinandersetzen müssen.  Die Antwort sollte aber kein „entweder/oder“ sein. Den Koranvers: „Der Mensch bekommt nur das, wofür er sich anstrengt“ gab ich indes als Impuls. Erfolg zu haben, ist zwar schön, bedeutet aber noch lange nicht, dass er auch glücklich und zufrieden macht. Wichtig ist meines Erachtens, das Leben mit all seinen Facetten und Höhen und Tiefen zu meistern.

Als schöner Abschluss der Veranstaltung wurde das folgende gemeinsame Gebet gesprochen: 

Weiter auf dem Weg des Friedens – mit Mut und Vertrauen
Gelobt seiest Du, EWIGER, König der Welten,
der Du uns – Menschen aus verschiedenen Religionen –
zusammenführst, um gemeinsam vor dir zu stehen.

Wir danken Dir, dass Du uns immer wieder zeigst:
Das Gemeinsame ist wichtiger als das Trennende.
Wir erkennen unsere Verschiedenheit als Bereicherung.

Wir danken Dir, dass wir einander Stärke, Schönheit
Und Vielfältigkeit unserer Religion vermitteln dürfen.

Wir danken Dir, dass Du uns immer wieder Kraft gibst,
wenn wir entmutigt sind.
Lob sei Dir, dem Gott der Welten,
dem Einen und Einzigen,
der uns weiter machen lässt
und uns Mut und Vertrauen schenkt – heute und allezeit.

Amen/Amin

Sowohl in diesem Gebet als auch im Verlaufe der Veranstaltung konnte ich nichts feststellen, was in irgendeiner Weise gegen muslimische Empfindlichkeiten hätte verstoßen können. Umso bedauerlicher, dass keine Eltern muslimischer Herkunft vor Ort waren und nur wenige muslimische Schüler, die selbst am Projekt beteiligt waren. Dass muslimische Eltern kein Interesse an einem so bedeutenden Projekt zeigten, nur weil es in einer Kirche dargeboten wurde, fand ich sehr schade.

Denn in der Tat bieten solche Veranstaltungen auch vielen Muslimen eine einmalige Gelegenheit, ihre eigenen Werte in gesellschaftlich wichtige Ereignisse einzubringen und an ihnen teilzuhaben. Brücken lassen sich nur Hand in Hand bauen.