Zum Dialog zwischen Christentum und Hinduismus

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Martin Kämpchen, Zum Dialog zwischen Christentum und Hinduismus, 2013*

Einleitung von INTR°A (Achim Riggert):

Wir dokumentieren hier einen Beitrag von Martin Kämpchen, eines führenden Protagonisten des christlich-hinduistischen Dialogs und Schriftstellers, der seit Jahrzehnten in Indien lebt und sich in zahlreichen Veröffentlichungen für ein besseres Verständnis der indischen Kultur und Religiösität eingesetzt hat. Näheres zu seiner Biographie s. hier ; eine Liste seiner Schriften s. hier.

Kämpchen entfaltet in diesem Aufsatz das Konzept eines offenen Dialogs, das die Gleichwertigkeit von Hinduismus und Christentum voraussetzt und davon ausgeht, dass beide tiefgreifend voneinander lernen können. Dabei bezieht er sich intensiv auf seine jahrzehntelangen Erfahrungen in Indien, die ihn zu einem Grenzgänger zwischen der indischen Kultur und Religion und der westlich-christlichen Tradition gemacht haben.

In den einleitenden Worten seines Aufsatzes schreibt Kämpchen:

“Dialog ist ein Reizwort in unserer Zeit geworden. Wir schätzen es, über den Dialog der
Religionen und den Dialog der Kulturen zu sprechen, oder einfach nur darüber, daß wir
„einen Dialog führen müssen“ oder „dialogbereit“ sein sollen. Darin wird die Überzeugung
ausgedrückt, daß Gespräche zwischen Menschen, gerade auch zwischen untereinander sehr
verschiedenen Menschen etwas Positives bewirken und darum notwendig sind. Diese
Überzeugung ist Teil unseres christlichen Aufklärungserbes, das optimistisch und häufig
geradezu naiv meint, wer sich von Angesicht zu Angesicht kenne, der bekommt die
Gelegenheit, Sympathie füreinander zu entwickeln.

Aber kann man sich nicht auch das Gegenteil vorstellen? Nämlich, wer miteinander
spricht, erkennt die Unterschiede, die Menschen voneinander trennen, der schafft Gelegenheit zum Streit, sogar zur Gewalt. Offenbar muß zum Dialog, damit er gelingt, noch mehr hinzukommen, als das Miteinandersprechen, nämlich die sogenannte „gute Absicht“, das positive Zueinander-Gestimmtsein, die Erwartung einer Bereicherung, die Hoffnung auf eine menschliche Begegnung. Nur wenn diese gute Absicht nicht fehlt, ist Dialog zwischen den Menschen möglich. Dieses Zueinander-Gestimmtsein, ist abendländisches Erbe. Es ist
Abglanz und Reflexion des Gebotes der Nächstenliebe, das sich auf den jeweiligen Nächsten, also potentiell auf alle Menschen bezieht.

Dialog trägt christlich-aufklärerischen Optimismus in sich; das heißt, das Wort Dialog
verkündet, daß sich das Gespräch lohnt, weil und obwohl die Menschen unterschiedlich sind. Das Gespräch nützt, damit wir Unterschiede erkennen und von Illusionen befreit werden; es nützt, weil wir erwarten, daß jenseits dieser Unterschiede auch etwas Vereinigendes besteht, etwas Gemeinsames, das wir im Gespräch erkennen werden. Dieses Gemeinsame hebt zwar die Unterschiede nicht auf, doch der christliche Optimismus will, daß das Gemeinsame schwerer wiegt und diese Unterschiede unbedeutend werden lässt. Wie soll man es nennen, dieses Gemeinsame? Das Allgemein-Menschliche, das Humanum, das Göttliche im Menschen, den heiligen Geist, den ātman (die göttliche Seele) in jedem Menschen? Dialog ist sinnvoll nur dann, wenn dieses in allen Menschen Grundlegende aktiv eingesetzt wird, das heißt von vornherein: Dialog ist die Begegnung von zwei gleichberechtigten Partnern – gleich als von Gott geschaffene Menschen. Weder kulturell noch religiös darf sich ein Gefühl der Überlegenheit ausdrücken. Auf unser Thema, den Dialog zwischen Christentum und Hinduismus bezogen, heißt dies: der Christ darf dem Hindu nicht in einem Gefühl der Überlegenheit begegnen, ebenso wenig darf sich der Hindu dem Christen überlegen fühlen. In beiden Religionen ist nämlich diese Überlegenheit angelegt: Dem christlichen Anspruch, die einzig erlösende Religion zu sein, entspricht die hinduistische Auffassung, daß sämtliche Religionen im Hinduismus einbegriffen seien, daß die anderen Religionen nichts Anderes und Neues mehr aussagen.

Diese Hervorhebung der eigenen Religion ist psychologisch durchaus verständlich. Im
Alten Testament kennen wir einen eifernden Gott, der von einem eifernden Gottesdiener
angebetet wird. Weder Gott noch Gottesanbeter wollen Gleiche neben sich dulden. Gott
bewährt sich als Gott, wenn er im Wettkampf als Sieger hervortritt. Dieser Tribalismus steckt in uns allen. Das Stammes-, Standes-, Gruppendenken ist ein menschlicher Mechanismus, der so naturhaft-kreatürlich ist, daß nur enorme, heiligmäßige Anstrengungen uns davon befreien können. Und dieses Gruppendenken übertragen wir von unserer menschlichen Gesellschaft auf Gott. Insofern sich die göttliche Offenbarung in den Religionen durch menschliche, zeitbezogene Sprache ausdrückt und in eine gegebene historische Situation hineinspricht, stellt sich Gott als Gott dar, der keine anderen Götter neben sich duldet. Der Weg zu der Erkenntnis, daß es nur den einen Gott geben kann, nur das eine Göttliche, das sich jeweils in den Religionen offenbart – dieser Weg ist lang und bedarf der Einübung durch Gebet, Kontemplation und Dialog.” (…)

Den vollständigen Beitrag, finden Sie hier.

* erstmals veröffentlicht in: Krämer, Klaus/Vellguth, Klaus (Hg.), 2013, Weltkirchliche Spiritualität. Den Glauben neu erfahren (FS zum 70. Geburtstag von Sebastian Painadath SJ), 267-278.